Die Welt wird überrollt von einer Krise nach der anderen: Klimakrise, zunehmende Soziale Ungerechtigkeit und völkerrechtswidrige Kriege. Sie kennen keine nationalen Grenzen und erlangen globales Ausmass. Daher ist es nicht von der Hand zu weisen, dass diese Krisen nur in internationaler Zusammenarbeit zu bewältigen sind. Auch die Menschen wollen sich nicht länger in nationale Grenzen einschränken lassen. Wer den für die Europäischen Union „richtigen“ Pass hat, plant heute Studium und Arbeit über die Grenzen hinaus.
Vor Jahrzehnten starteten mehrere europäische Staaten ein Projekt, um die zwischenstaatliche Zusammenarbeit neu zu definieren. Dieses einzigartige Friedensprojekt, das mittlerweile zur Europäischen Union geworden ist, hat den Frieden zwischen den teilnehmenden Staaten gesichert und verhindert, dass zwischen den von Kriegen geprägten Mitgliedsstaaten, ein Konflikt ausbricht. Darüber hinaus ist es ein einzigartiges Projekt der Zusammenarbeit zwischen Staaten. Historisch und politisch sehr unterschiedliche Nationen versuchen gemeinsam Lösungen für drängende globale Probleme zu finden.
Trotz dieser Fortschritte existieren in der EU einige schwerwiegende Defizite. Die Idee der Europäischen Union war damals wie heute vom Neoliberalismus geprägt. Ein Binnenmarkt mit gemeinsamen Regelungen soll vor allem der Wirtschaft zugutekommen und somit den wirtschaftsstarken Nationen. Im heutigen Europa können Waren einfacher von einem Nationalstaat in den nächsten passieren als Menschen.
Die EU versagt in der Asylpolitik auf ganzer Linie, ignoriert das Leid des Menschen und lässt Randstaaten mit ihren Herausforderungen allein. Sozialpolitik war und ist in der EU sowieso kaum ein Thema. Die Mitgliedstaaten sind dafür selbst verantwortlich. Wiederum eine Tatsache welche die Schere zwischen Arm und Reich bzw. die Schere zwischen wohlhabenden und armen Staaten auseinander treiben lässt. Hier zeigt der Kapitalismus seine hässlichste Fratze: Durch die Ausbeutung des globalen Südens und einer grausamen Kolonialgeschichte hat sich der globale Norden einen enormen Reichtum erbeutet. Während die wohlhabenden Länder ohne Problem Sozialleistungen bezahlen können, können wirtschaftsschwache Länder, welche durch hohe Arbeitslosenquote beispielsweise diese Sozialleistungen noch dringender brauchen, sie nur schwer aufbringen. Die Folge: Wirtschaftsschwache Länder verschulden sich immer mehr. Bis sie irgendwann keine neuen Schulden mehr aufnehmen können, was übrigens nur wegen der EU Schuldenobergrenze der Fall ist. Danach bleibt ihnen nichts anderes übrig, als den Staatshaushalt beziehungsweise die Sozialleistungen zu kürzen. Beim jetzigen EU-Projekt geht es um eine EU der Märkte und nicht um eine EU der Menschen.
Globale Probleme – globale Lösungen
Die gegenwärtigen Krisen enden nicht an nationalstaatlichen Grenzen – es sind globale Krisen, welche auch globale Lösungen verlangen. Die Jungen Grünen Schweiz sind eine global ausgerichtete Partei. Wir fordern, dass die Schweiz als Industriestaat mehr Verantwortung übernimmt.
Klimapolitik
Die Folgen der Klimakrise werden immer ersichtlicher und ein konsequentes und radikales Handeln der Politik immer dringender. Laut dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) müssen wir global betrachtet unsere Treibhausgasemissionen bis spätestens 2030 halbieren. Um einen solchen Kraftakt zu vollziehen, ist multilaterale Zusammenarbeit zentral. Luftverschmutzung und emittiertes Treibhausgas kennen keine Grenzen. Wir brauchen europäische sowie globale Partner*innenschaften, Abkommen und vor allem Solidarität. Als ersten Schritt hat die EU einen europäischen Green Deal verabschiedet, der zwar deutlich ambitionierter ausfallen könnte – Atomkraft und Gas gelten darin beispielsweise als erneuerbare Energien – jedoch trotzdem als Türöffner für weitere Massnahmen und Beschlüsse dienen könnte. Die Schweiz, mit ihrer historischen Verantwortung für die Klimakrise, soll sich an diesem beteiligen und sich dabei für noch konsequentere Massnahmen einsetzen.
Europäische Migrationspolitik
Das “Dublin-Projekt”, das ursprünglich zu einer geregelten Asylpolitik führen sollte, ist gescheitert. Durch die Registrierung im ersten Dublinstaat, in welchem die Flüchtenden ankommen, sollte so eine sichere Migration ermöglicht werden. Der heutige Stand ist, dass Binnenländer sich aus der Verantwortung ziehen können, da es für Flüchtende faktisch unmöglich ist, in ein solches zu reisen, ohne dabei beispielsweise in den Küstenstaaten registriert zu werden. Dies hat nicht nur gefährliche Auswirkungen auf die Migrierenden, sondern auch politisch auf die Staaten, in denen überproportional viele Flüchtenden ankommen. In diesen Ländern nutzen Politik und Medien diese Zahlen, um Rassismus zu schüren. Somit bekommen populistische, rechtsradikale Strömungen an Zuspruch.
Weiter wurde die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) mit dem Ziel geschaffen, Menschen von Europa fernzuhalten und Migration zu erschweren beziehungsweise zu verunmöglichen. Das ist nicht mit der europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar.
Menschenrechte
Immer mehr rechtsextreme Regierungen gelangen an die Macht. Grund- und Menschenrechte stehen unter Druck wie schon lange nicht mehr. Hier müssen wir zusammenstehen und noch vor Jahren selbstverständliche Rechte, wie dasjenige auf Abtreibung, verteidigen. Kein Fussbreit dem Faschismus. Die EU, als ein Projekt, bei dem Staaten gemeinsame Werte definieren, hat die Möglichkeit, diese Grundrechte zu stärken und so ein globales Zeichen zu setzen. Mit dem Rechtsstaatmechanismus wurde ein Instrument geschaffen, das Mitgliedstaaten sanktionieren kann, welche sich nicht an rechtsstaatliche Grundlagen wie Gewaltentrennung oder demokratische Wahlen halten.
Mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), die auch die Schweiz ratifiziert hat, wurde eine Grundlage für Menschenrechte geschaffen. Die Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind bedauerlicherweise nicht verbindlich für die jeweilige nationale Rechtsprechung oder Gesetzgebung. Zusätzlich existiert auf EU-Ebene die EU-Charta der Grundrechte, welche die Einhaltung der Menschenrechte in den Europäischen Institutionen sowie bei der Umsetzung von EU-Recht garantiert. Die EU hat zwar keine einheitliche Verfassung, die gemeinsame Grundwerte festlegt, jedoch haben alle 27 Mitgliedsstaaten die EMRK unterzeichnet, wodurch sich die Bürger*innen bei einem Verstoss der Menschenrechte durch nationale Gesetze an den EGMR wenden können und bei einer Missachtung derer durch europäische Gesetzgebung auf die EU-Charta der Grundrechte stützen.
Beziehungen Schweiz / EU
Nach dem Abbruch der Verhandlungen für ein Rahmenabkommen durch den Bundesrat im Mai 2021 erodieren die Beziehungen der Schweiz zur EU unermüdlich. Wichtige Abkommen drohen bald auszulaufen oder sind es bereits. So ist die Schweiz bei Horizon Europe (2021–2027), einem wichtigen europäischen Forschungsprogramm, und beim EU-Programm zur Förderung von allgemeiner und beruflicher Bildung, Jugend und Sport in Europa (Erasmus +) nicht assoziiertes Drittland. Trotz der Dringlichkeit laufen die Verhandlungen mit der EU momentan ins Leere, dem Bundesrat mangelt es an einem echten Willen, dies zu ändern, und eine Stabilisierung der Beziehung ist nicht in Sicht.
Massnahmen zur Stärkung der Beziehungen zur EU
Um die schädliche Blockade im Verhältnis der Schweiz zur EU endlich zu beenden, ist baldiges und entschiedenes Handeln bitter notwendig.
In einem ersten Schritt muss die Schweiz sicherstellen, dass sie gute bilaterale Beziehungen zur Europäischen Union aufrechterhält. Um dies zu erreichen, muss sie Zugeständnisse und Kompromisse machen, z. B. indem sie akzeptiert, dass der Gerichtshof der Europäischen Union über künftige Rechtsstreitigkeiten mit der EU urteilt, oder indem sie als reichster Staat Europas die Verantwortung übernimmt, die diese Rolle mit sich bringt. Deshalb soll sie sich mit einem festen Betrag an den Ausgaben der EU beteiligen, unter anderem in den Bereichen Klimaschutz, Menschenrechte und Unterstützung strukturschwächerer Regionen.
Der Lohnschutz darf jedoch keinesfalls verwässert oder gar abgeschafft werden. Im Gegenteil: Die Schweizer Verhandlungsführer*innen müssen sich dafür einsetzen, dass dieser auch in der EU konsequenter durchgesetzt wird. Es geht darum, Lohndumping zu verhindern, auch im Interesse der Arbeitenden in der EU.
Beitritt zur EU
Es wird noch ein langer Weg sein, bis das Ziel einer sozialen und umweltbewussten Organisation erreicht ist. Trotz allem können wir die Augen vor der Realität nicht verschliessen! Die Schweiz befindet sich im Herzen Europas, umgeben von lauter Mitgliedstaaten der EU. Wir sind daher wirtschaftlich und politisch von der EU abhängig. Darum fordern die Jungen Grünen Schweiz einen EU-Beitritt der Schweiz. Wir wollen nicht weiter lautlos am Rande stehen und nur kritisieren, wir wollen mitgestalten und als Teil der EU diese umweltpolitisch und sozial reformieren.
Langfristige Vision
Den Jungen Grünen Schweiz ist bewusst, dass die gegenwärtige EU auf die Ausbeutung der Umwelt und Menschen ausgelegt ist und sich weder für die Interessen der grossen Mehrheit der Bevölkerung einsetzt, noch diese mit ausreichenden Mitbestimmungsrechten politisch miteinbezieht.
Mit Ausnahme des Europäischen Parlaments sind die Organe der EU nicht direkt demokratisch legitimiert. Ausserdem wird das Parlament bei vielen Gesetzgebungsprozessen nur angehört und hat kein aktives Mitspracherecht. Selbst wenn es das Stimmrecht hat, kann es jederzeit vom Rat der Europäischen Union überstimmt werden, da eine Einigung mit dem Rat erzielt werden muss, bevor ein Gesetz verabschiedet werden kann. Hinzu kommt, dass die einzige direkt gewählte EU-Institution nicht über das Recht auf Gesetzesinitiativen verfügt. Darüber hinaus schaden die mangelnde Transparenz und die fehlende Regulierung des Lobbyismus dem Image dieser Institution. Diese Situation ist aus demokratischer Sicht sehr kritisch. Schliesslich haben die europäischen Bürger*innen kein Referendumsrecht, und obwohl sie seit 2011 ein Initiativrecht haben, ist dessen Wirksamkeit begrenzt, da die Europäische Kommission ohne Begründung beschliessen kann, nicht auf eine Initiative einzugehen.
Die EU muss ausserdem sowohl das aktive, als auch das passive Wahlrecht reformieren. Die Unionsbürgerschaft ist ein Instrument, das diese bisher auf kommunaler Ebene garantiert. Die Menschen sollen sich dort politisch einbringen, wo sie ihren Lebensmittelpunkt haben. Nationale Grenzen, welche historisch gewachsen sind, gehören daher der Vergangenheit an. Neue, kommunale und basisdemokratische Strukturen, wie Bürger*innenräte, müssen aufgebaut und gefördert werden, damit mehr Partizipation durch die Bevölkerung möglich wird. Die europäischen Institutionen sollen schlussendlich nur noch einen rechtlichen Rahmen vorgeben (bspw. für Umweltschutz, Sozialpolitik oder Wirtschaft), welcher dann von den basisdemokratischen Kommunen nach den jeweiligen Bedürfnissen der Bevölkerung und unter Einhaltung der Grund- und Menschenrechte umgesetzt werden.
Die Jungen Grünen Schweiz fordern daher:
- Den Beitritt der Schweiz zur Europäischen Union.
- Die EU soll sich zu einer Union reformieren, in der nicht mehr länger die Wirtschaft, sondern neu der Mensch und die Natur im Zentrum steht. Wir fordern, dass an die Stelle der Politik des unendlichen Wirtschaftswachstums eine antikapitalistische und nachhaltige tritt.
- Demokratisierung der Institutionen.
- Umfassende verbindliche Initiativ- und Referendumsrechte für das Europäische Parlament und die Bevölkerung.
- Eine Europäische Verfassung, welche den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen beinhaltet, sowie den Schwerpunkt sozialpolitische Grundrechte setzt.
- Mehr Massnahmen für die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit sowie Korruptionsbekämpfung
- Menschenwürdige, europäische Asylpolitik und die Abschaffung von Frontex.
- Förderung von basisdemokratischen Strukturen.
- Abschaffung aller nationalstaatlichen Grenzen.
Verabschiedet an der Mitgliederversammlung vom 8. April 2023 in Leysin (VD)