Was wir essen und wie wir unsere Lebensmittel produzieren, hat enorme Auswirkungen auf unsere Umwelt, unsere Gesundheit und alle Lebewesen dieser Erde. Die Agrarpolitik muss konsequent auf nachhaltige Produktion ausgerichtet sein, Produzenten müssen faire Preise erhalten und Forschung und Entwicklung auf agrarökologische Produktionsmethoden fokussiert sein. Um die ökologischen, sozialen sowie wirtschaftlichen Probleme des heutigen Landwirtschafts- und Ernährungssystems zu lösen ist ein ganzheitlicher und umfassender Wandel notwendig. Die heutigen landwirtschaftlichen Praktiken, insbesondere der grossen Industriebäuer*innen des Mittellandes, stellen noch zu oft eine grosse Belastung für unsere natürlichen Ressourcen wie das Grundwasser, die Böden und die Luft aber auch die Biodiversität dar. Es handelt sich dabei um eine mächtige Lobby mit Einfluss in den föderalen Institutionen, die so den Markt der Produkte in Supermärkten monopolisieren. Andererseits sind viele kleine Familienbetreibe sie sowohl im Mittelland wie auch in den Bergregionen nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken anwenden, zunehmend durch dieses System bedroht. Aus diesem Grund ist um Veränderungen herbeizuführen, die Zusammenarbeit mit allen Interessenvertreter*innen der Landwirtschaft unerlässlich. Die junggrüne Agrarpolitik setzt auf Dialog und will den dringend notwendigen Kurswechsel gemeinsam mit den in der Land- und Ernährungswirtschaft tätigen Menschen angehen. Dazu ist Transparenz, Offenheit und Akzeptanz nötig. Zusammen können wir eine zukunftsfähige Landwirtschaft gestalten, die alle Menschen mit gesunden, nahrhaften und ökologischen Produkten versorgt.
Dieses Positionspapier der Jungen Grünen zeigt die aktuellen Probleme des Landwirtschaft- und Ernährungssystems auf und formuliert konkrete Forderungen, mit welchen diese Probleme gelöst werden können.
Faire Preise und Transparenz
Wer im heutigen System Landwirtschaft betreibt, leidet oft unter grossem wirtschaftlichem Druck und hat, selbst mit staatlichen Direktzahlungen, oft existentielle Probleme. Ein Grund für diesen Druck ist das kapitalistische Fortschritts-Credo “Wachsen oder weichen”. Durch Mechanisierung, Zucht, Agrarchemie oder Gentechnik steigt zwar die Produktion, dies führt jedoch oft zugleich zu Preissenkungen, da die Mehrproduktion nicht auf erhöhte Nachfrage trifft. Ein Ende dieser “Landwirtschaftlichen Tretmühle” ist nicht absehbar., Die Grossverteiler*innen, die Verarbeiter*innen und der Handel verdienen immer mehr und profitieren von dieser Entwicklung. Gleichzeitig gelangen die Landwirt*innen in eine immer dramatischere und existenzbedrohende Situation. Während alle vor- und nachgelagerten Industrien profitieren, sehen sich die Landwirt*innen gezwungen, günstiger zu produzieren, was insbesondere den industriellen Betrieben gelingt, wodurch der Wettbewerb zusätzlich katalysiert wird. Mit dem Preiswettbewerb zum nahen Ausland sind die Landwirtschaftsbetriebe einem zusätzlichen Druck ausgesetzt.
Die Jungen Grünen fordern, dass:
- Alle in der Agrarwirtschaft tätigen Menschen ein würdevolles und gutes Leben führen können. Dies setzt voraus, dass faire Preise bezahlt werden und ein gerechter Teil der Wertschöpfung in der ersten Stufe der Produktionskette bleibt.
- Informationen zu Inhalt, Herkunft und Umweltwirkung aller Nahrungsmittel auf einem Etikett gut ersichtlich sind und zudem volle Kostenwahrheit und Transparenz herrscht.
- Mehr staatliche Unterstützung für die Entwicklung lokaler Vertriebsnetze außerhalb des Supermarktbereichs gesprochen wird.
- Die Zahl der Beschäftigten in der Land- und Ernährungswirtschaft gesteigert wird und das gesamte Direktzahlungs- und Subventionssystem sozial umgebaut wird.
Internationaler Handel und Konzernmacht
Wir Junge Grüne sind der Meinung, dass die Verantwortung der Schweiz als importabhängiges Land nicht an den Landesgrenzen aufhört. Ungefähr die Hälfte aller konsumierten Lebensmittel in der Schweiz werden importiert. In den Ländern, aus denen die Schweiz Lebensmittel importiert, herrschen oft schlechtere soziale und ökologische Standards. Grosse internationale Konzerne, welche Profitmaximierung vor Menschenrechte und Umweltschutz stellen, beuten Landwirt*innen schamlos aus. Lokale Bevölkerungen werden in Abhängigkeiten getrieben und Monopolstellungen gnadenlos ausgenutzt. Global arbeiten viele Frauen in der Landwirtschaft und sind somit dieser Ausbeutung besonders stark ausgesetzt. Es ist zwingend notwendig, dass jedes importierte Produkt unsere hohen sozialen und ökologischen Standards erfüllen muss und auch für Importgüter griffige Kontroll- und Sanktionsmechanismen eingeführt werden.
Über 50% des globalen gehandelten Getreides, über 30% des Kaffees und über 25% der Baumwollernte werden von Schweizer Konzernen kontrolliert. Das macht die Schweiz zu einem der wichtigsten Agrarrohstoffhandelsplatz der Welt. Für die Einhaltung der Menschenrechte und strengen Umweltrichtlinien steht die Schweiz dadurch besonders in der Pflicht.
Die Jungen Grünen fordern, dass:
- Schweizer Unternehmen, die ihre Produktionsprozesse ins Ausland verlagern, setzen Lohn- und Arbeitsbedingungen ein, die denen in der Schweiz gleich sind.
- die Schweiz die Länder, aus denen sie Produkte importieren, bei der Umsetzung dieser Anforderungen unterstützt.
- Konzerne für ihr Tun im Ausland hierzulande zur Rechenschaft gezogen werden.
- die Schweiz sich als globaler Handelsplatz für mehr Transparenz im Rohstoffhandel und strengere global geltende Kontroll- sowie Sanktionsmechanismen einsetzt.
- die Schweiz keine weiteren Handelsabkommen ohne verbindliche Umweltschutz- und Menschenrechtsstandards abschliesst.
Klima und Ressourcen
Wir Junge Grüne wollen eine ressourceneffiziente, standortgerechte und ökologische Landwirtschaft in der Schweiz. Auf einem begrenzten Planeten müssen wir die Ressourcen nachhaltig nutzen. Das bedeutet, dass wir keine landwirtschaftlichen Praktiken fortführen können, welche auf der Ausbeutung von Böden, Grundwasser, natürlicher Rohstoffvorkommen, fossilen Brennstoffen oder der Menschen basiert. Eine Ursache für die Verschwendung von Ressourcen im Landwirtschaftssektor ist der zu hohe Konsum von tierischen Produkten. Tierische Produkte decken aktuell nur einen kleinen Teil der weltweit verbrauchten Kalorien, sind jedoch grösstenteils dafür verantwortlich, dass unsere Regenwälder niedergebrannt werden und ein Drittel des globalen Frischwassers und des eisfreien Landes verbraucht werden. Im Gegensatz dazu könnte eine Welt, in der nur wenige tierische Produkte konsumiert werden, die gesamte Menschheit auch in Zukunft sogar mit geringerem Landverbrauch mit ausreichend Lebensmitteln versorgen. Ein Grund dafür ist, dass tierische Produkte einen grösseren ökologischen Fussabdruck haben, als pflanzliche Alternativen und dies in jedem Produktionssystem,.
Als allerwichtigste Maßnahme sind die Treibhausgasemissionen so rasch als möglich auf Netto 0 zu reduzieren. Konservative Berechnungen gehen davon aus, dass bis zu 23% der globalen Treibhausgase aus der Landwirtschaft stammen, davon alleine 18% aus der Nutztierhaltung. Auch in der Schweiz ist der Anteil der Treibhausgase aus der Nutztierhaltung mit 13% sehr hoch. Global könnte durch einen Wechsel von der heutigen auf eine vegetarische bzw. vegane Ernährung bis zu 6 bzw. 8 Gt CO2-eq. pro Jahr gespart werden, . (Die gesamte USA hat im Jahr 2017 6.6 Gt C02-eq ausgestossen) Zudem sind alle Anstrengungen vorzunehmen, welche den Verlust von Nahrungsmitteln auf der ganzen Kette reduzieren. Denn ein Viertel der Umweltbelastung der Ernährung der Schweiz sind auf Food Waste zurückzuführen.
Um die Klimakrise und Ressourcenverschwendung aufzuhalten ist eine drastische Reduktion des Konsums tierischer Nahrungsmittel dringend notwendig. In der Wissenschaft herrscht Konsens, dass ohne einen solchen Wechsel die Klimakrise und Ressourcenverschwendung nicht bekämpft werden können.
Die Jungen Grünen fordern, dass:
- Die staatliche Absatzförderung von tierischen Produkten abgeschafft und Werbung für klimaschädliche Nahrungsmittel verboten wird.
- Auf klimaschädliche Lebensmittel eine Lenkungsabgabe erhoben wird. Diese Einnahmen werden verwendet, um faire, saisonale und klimafreundliche Nahrungsmittel zu fördern.
- Die Schweizer Landwirtschaft bis im Jahr 2030 vollständig auf Biolandbau und agrarökologische Landwirtschaftspraktiken umgestellt hat und so den klimatischen Veränderungen gerecht werden kann.
Biodiversität und Ökosysteme
Wir erleben das sechste Massenaussterben in der Tier- und Pflanzenwelt,, von dem auch die Schweizer Ökosysteme stark betroffen sind. Die Landwirtschaft muss ihren Teil zur Erhaltung und der Förderung der natürlichen Biodiversität in der Schweizer Landschaft beitragen. Durch Monokulturen und dem breitflächigen Einsatz von Pestiziden sterben zahlreiche Arten aus. Stickstoffüberschüsse gelten als Schlüsselfaktor für zahlreiche negative Umwelteinwirkungen. Selbst mit der sogenannten “regenerativen Landwirtschaft” können in der Schweiz die Nährstoffkreisläufe nicht komplett geschlossen werden (Stolze et al, 2018, S 125). Dies unter anderem wegen der immensen Futtermittelimporte. Über 1 Mio Tonnen Kraftfutter werden für deren Haltung jährlich in die Schweiz importiert. Dazu wird eine Ackerfläche im Ausland gebraucht, die gleich gross ist wie die der Schweiz. Zusätzlich zur regenerativen Landwirtschaft braucht es Maßnahmen wie eine Reduktion der Tierbestände (Stolze et al., 2018, S 134),. Die landwirtschaftliche Produktion sollte dazu beitragen, die kulturelle Vielfalt der Nutzpflanzen durch die tägliche Arbeit zu erhalten, sowie diese weiter auszubauen. Klimatische Veränderungen erfordern spezielle Anstrengungen im Bereich Kultivierung und Forschung von neuen Kultursorten, sowie strenge Richtlinien zur Sicherstellung der natürlichen Biodiversität, welche auch in Zukunft eine Nahrungsmittelproduktion ermöglicht. Gesunde Böden sind die Grundlage der Landwirtschaft und unserer Ökosysteme. Nachhaltige Landnutzung schützt die Bodenqualität sowie die Bodenfunktionen, unter anderem jene als Kohlenstoff- und Wasserspeicher. Die wichtigen Funktionen des Bodens sind infolge fortschreitender Verdichtung, Erosion und durch die Versiegelung stark gefährdet.
Die Jungen Grünen fordern, dass:
- Allgemeine Direktzahlungen abgeschafft werden und ausschliesslich agrarökologische Produktionssysteme ohne Ausbeutung von Umwelt, Menschen und Tieren durch öffentliche Gelder gefördert werden.
- Die Schweizer Landwirtschaft ohne synthetische Pestizide und Mineraldüngereinsatz produziert, sowie auf Gentechnik verzichtet, die Landwirt*innen an der Wiederaussaat hindert oder die Pestizidresistenz verbessert.
- Die Nutztierbestände so weit reduziert werden, dass keine Futtermittel mehr importiert werden müssen und die Anbaufläche für Futtergetreide soweit reduziert wird, dass die Stickstoffkreisläufe im Gleichgewicht sind.
- Dem Aufbau gesunder und humusreicher Böden grösstmögliche Priorität zugeschrieben wird und die Förderung der Biodiversität in alle Produktionsformen integriert wird.
Tierhaltung
Wir als Junge Grüne fordern eine Landwirtschaft, welche ökologisch tragbar ist - auch in Zukunft. Dies bedeutet, dass wir die tierische Produktion und den Konsum von tierischen Produkten drastisch reduzieren müssen, um innerhalb der planetaren Grenzen zu bleiben. In der Schweiz werden jährlich 62 Millionen Tiere geschlachtet, welche meist ihr Leben nicht so verbringen können, wie es die Werbung suggeriert. Auch die Produktion von anderen tierischen Produkten wie Eiern und Milch ist von Ausbeutung geprägt. So werden männliche Küken, weil sie keine Eier legen können, gleich nach dem Schlüpfen getötet. Kälber werden kurz nach der Geburt von ihren Müttern getrennt und danach oft in Einzelhaltung gehalten. In einer Welt, in der eine grösstenteils pflanzliche Ernährung für die meisten Menschen möglich ist, muss diese Ausbeutung angeprangert werden. Durch eine drastische Reduktion der Tierbestände können einerseits die Ausbeutung, andererseits die negativen Umwelteinflüsse der Massentierhaltung reduziert werden. Ein erster, notwendiger Schritt dazu ist der Stopp von Futtermittelimporten aus dem Ausland.
Die Jungen Grünen fordern, dass:
- Leben, Wohl und Würde der Tiere konsequent geschützt, die Haltungsbedingungen kontinuierlich verbessert, sowie die immensen Schlachtzahlen drastisch gesenkt werden.
- Anreize für eine vermehrt pflanzliche Ernährung geschaffen, keine weiteren Staatsgelder für die Absatzförderung oder die Unterstützung tierischer Produkte verwendet werden und dafür Alternativen zu tierischen Produkten gefördert werden.
- Kurzfristig der Import von Futtermitteln mit Abgaben verteuert wird und mittelfristig keine Futtermittel importiert werden.
Gesundheit und Bildung
Die Produktion von landwirtschaftlichen Produkten ist oft mit gesundheitlichen Risiken für Landwirt*innen und Landarbeiter*innen verbunden, beispielsweise durch die inkorrekte Anwendung von Pestiziden oder die harte körperliche Arbeit. Die psychischen Belastungen, u.a. verursacht durch den grossen Preis- und Schuldendruck und die Darstellung, alleinige Verursacher zahlreicher Umweltprobleme zu sein, setzen den betroffenen Menschen weiter zu. Durch Kostenwahrheit, faire Entlöhnung der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte und wahrheitsgetreue Berichterstattung können diese Belastungen reduziert werden.
Auch Gesundheit und Lebensqualität der Konsument*innen werden von der Art der Lebensmittel stark beeinflusst. Die meisten Menschen in der westlichen Welt sterben heute an Krankheiten wie Krebs, Kreislaufproblemen, Kardiovaskuläre Erkrankungen und Diabetes,. Eine präventive Behandlung dieser ist möglich: Eine drastische Reduktion des Fleischkonsums und eine ausgewogene, meist pflanzliche Ernährung wirken sich positiv auf die Gesundheit aus,. Wenn wir unsere Ernährung auf eine vollwertige, hauptsächlich pflanzliche umstellen, können wir sowohl unserer Gesundheit als auch der Umwelt Gutes tun.
Damit Menschen ein gesundes Verhältnis zur Landwirtschaft aufbauen können, müssen sie über das nötige Wissen und den Zugang verfügen. Die Bewusstseinsschaffung muss bereits in Kindesalter beginnen und sich durch die gesamte Bildungszeit hindurchziehen. Nur so sind bewusste und verantwortungsvolle Konsumentscheide möglich.
Die Jungen Grünen fordern, dass:
- Das Bundesamt für Gesundheit seine Ernährungsempfehlungen unabhängig von Lobbyinteressen der aktuellen wissenschaftlichen Forschung anpasst.
- Einrichtungen und Veranstaltungen von öffentlichem Interesse nur vegetarische und zwingend auch eine vegane Option offerieren.
- Die Bildung im Bereich Land- und Ernährungswirtschaft Teil jedes Bildungsangebots ist und die Bevölkerung aktiv nach neuesten wissenschaftlichen Grundlagen sensibilisiert und aufgeklärt wird.