Mathilde Marendaz, 11.06.2019
"Ich muss nicht streiken, denn ich.... ich hatte eine erfolgreiche berufliche Karriere, ich wurde nie von Männern schikaniert, ich hatte immer das, was ich wollte...."
Der 14. Juni nähertsich, und man hört vermehrt solche Kommentare –auf der Strasse sowie in einigen Zeitungen. Ein Streik seiauf dem Weg zur Gleichstellung nicht sinnvoll. Ein Diskurs, dereineFrageaufwirft: Organisieren wir einen Streik, um unser eigenes Schicksal zu ändern, oder streiken wir, um ein System zu verändern, welchesdie Mehrheit der Frauen*auf der ganzen Welt betrifft?
Die Fakten sind unbestreitbar!
Frauen werden in verschiedenstenBereichen der Gesellschaft unterdrückt. ZuHause, bei der Arbeit, in der Schuleundauf der Straße. Dazu gibt es ganz offensichtliche Fakten, die das belegen:In der Schweizzum Beispiel, verdienen Frauen*zum einen durchschnittlich 20% weniger als Männer, leisten aber 53 Stunden Haus- und Familienarbeit pro Woche, während Männer nur 29 Stunden leisten. Sie sind politisch systematisch unterrepräsentiert (auf nationaler Ebene stellen sie 30% der Politiker*innen dar und kantonal sogar nur 13%). Auch das Ausmass der geschlechterspezifischenund sexuellenGewalt ist erschreckend:EineFrau wird jede Woche von ihrem Partner getötet, 1 von 10 Frauen ist bereits Opfer von sexueller Gewalt geworden. [1] Das MeToo-Phänomen von 2017 zeigte, dass geschlechterspezifische und sexuelle Gewalt nicht nur ein Einzelfall, sondern ein strukturelles Problem ist, das Millionen von Frauen*täglich betrifft.
Kollektiver Kampf gegen ein strukturelles Phänomen
Diese Ungleichheiten bestehen daher fort und scheinen ein großes Problem auf kollektiver Ebene zu sein. Angesichts des strukturellen Ausmaßes dieser Ungleichheiten scheint es, dass alle individuellen Anstrengungen unzureichend sind, um die erforderlichen globalen Veränderungen herbeizuführen. Hier kommt der Streik ins Spiel und das ist genau der Wert und die Schönheit dieser kollektiven Bewegung. Der Streik istein mächtiges Mittel zur Sammlung, ein wertvolles politisches Werkzeug, welchesdiese gesellschaftlichen Phänomene an die Oberfläche bringt, wo sie tatsächlich wahrgenommen werden. Es ermöglicht, stärker zu sein, Unrechtzu bekämpfen und große Veränderungen herbeizuführen. 1971 wurde das Wahlrecht nicht stillschweigend erworben: Es war das Ergebnis eines Kampfes und einer kollektiven Organisation von Frauen*.Heute kämpfen wir für die Geschichte aller, nicht nur für unsere persönliche, die in der Schweiz oftmals (unzurecht!) als unbedeutend deklariert wird.
So viele Gründe für einen Streik!
Es gibt so viele Gründe, um jetzt zu streiken:
- Für endlich gleichen Lohn.
- Für einen geteilten, gleichberechtigten Elternurlaub zwischen Frauen*und Männern*.
- Für den Feminismus auf allen Ebenen: In vielen Fällen haben Frauen*, die den Weg in eine berufliche Laufbahn eingeschlagen haben, Haushaltsaufgaben nicht an Männer*, sondern an andere Frauen*delegiert, zum Beispiel Migrantinnen[2].
- Für die Förderung der Pflegearbeit- von der Betreuung der Jüngsten bis zur Betreuung von Angehörigen mit spezifischen Gesundheitsproblemen: Das ist Arbeit, die immer noch hauptsächlich von Frauen*geleistet wird, und weder anerkanntnoch bezahlt wird.
- Für Frauen*in weniger wohlhabenden Ländern, die oft eine landwirtschaftliche Arbeit betreiben, die direkt von einer zunehmend feindseligen Umwelt, Klima-Tragödien und beispiellosen Dürren beeinträchtigt wird [3].
- Für unsere Grundrechte und das Recht auf freie Verfügung über unseren Körper, da dies auch heute noch in Frage steht, wenn beispielsweise Alabama für ein repressives Gesetz gegen Abtreibung stimmt[4].
- Gegen Belästigung und geschlechterspezifische verbale oder körperliche Gewalt.
- Für die Unterstützung älterer Frauen*mit gerechten Renten, da die älteren Frauen*von heute unter den Ungleichheiten inBeschäftigung und Löhnen von gestern leiden.
... Und aus tausend anderen Gründen, denn es gibt so viele wie esIndividuengibt: Wenn dich einer oder mehrere dieser Gründe bewegt, ausSolidarität mit Frauen* hier und anderswo, dann geh am 14. Juni auf die Straße, und schliesse dich mit deiner Stimme dieser großen historischen Bewegung an.Es gibt so viele Gründe, zu streiken!
![]() | Mathilde Marendaz
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