Irina Studhalter, 24.10.2013
Im Abstimmungskampf um ihre Familieninitiative nimmt die SVP Wörter in den Mund, die man noch nie von ihr gehört hat. Neuerdings kämpft die Volkspartei für Chancengleichheit und Fairness für alle. Da lohnt sich ein zweiter Blick.
Die Familieninitiative der SVP fordert einen Steuerabzug für Familien, die ihre Kinder selbst betreuen, und will damit die Arbeit der Mütter würdigen. Bereits hier verrät sich die Initiative: Die SVP verschliesst die Augen vor der Realität und will partout das „klassische“ Familienbild festigen. Der Vater verdient das Geld, die Mutter steht am Herd und betreut die Kinder. Dass auch Väter Erziehungsarbeit leisten oder Kinder bei Alleinerziehenden aufwachsen wird von der SVP gekonnt übersehen.
Um beim tatsächlichen Anliegen der Initiative, dem Steuerabzug, zu bleiben: Die Forderung stellt unser Steuersystem auf den Kopf. Es macht absolut keinen Sinn, etwas von den Steuern abziehen zu können, für das man gar nichts ausgegeben hat. In den Worten der Plakatkampagne der FDP: „Das wäre wie ein Spendenabzug ohne Spenden – fertiger Chabis“. Im Gegensatz zur SVP-Idee generiert der Steuerabzug, der bei Fremdbetreuung möglich ist, doppelte Einnahmen: Die Eltern verdienen ein Einkommen (welches versteuert wird), während die Fremdbetreuung der Kinder wiederum Arbeitsplätze schafft.
Eine kleine Dreisatzrechnung zeigt sofort, dass das Modell nicht allen Familien etwas bringt – im Gegenteil: Sie nützt erst dem oberen Mittelstand, der sich leisten kann, dass nur ein Elternteil arbeitet. Die WOZ rechnet vor:
Bei Familie A hat der Vater einen guten Lohn und verdient 100 000 Franken. Durch die Kinderbetreuung seiner Frau dürfen sie 10 000 Franken von den Steuern abziehen.
Familie B verdient auch 100 000 Franken, jedoch arbeitet der Vater dafür 100 Prozent und die Mutter 60 Prozent. Die Fremdbetreuung der Kinder kostet 20 000 Franken, von denen sie 10 000 Franken von den Steuern abziehen kann. Familie A hat faktisch 100 000 Franken und versteuert 90 000 Franken. Familie B hingegen versteuert auch 90 000 Franken, sie hat jedoch nur 80 000 Franken.
Es ist offensichtlich, dass die Familieninitiative keine Fairness schafft. Stattdessen will die SVP ein veraltertes Familienbild unterstützen und verkauft sich als gutmütige, dankbare Partei.
Die Initiative gehört klar abgelehnt. Nicht ein irrationaler Steuerabzug, sondern sinnvolle Kinderzulagen sind der Schlüssel zu adäquater Unterstützung und Chancengleichheit zwischen verschiedenen Familienmodellen. Diese echte Chancengleichheit bekämpft die SVP jedoch.
![]() | Irina Studhalter Politikwissenschaft BA, Campaignerin |
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Irina Studhalter, geb. 1993, studierte Politikwissenschaft, arbeitet heute in politischen Kampagnen. Schon als kleiner Spross gab sie bei der Kinderlobby Schweiz und als Lobbyistin für die Jugend im Bundeshaus ihren Senf dazu. Seit 2012 tut sie das auch als Feministin und Strategin bei den Jungen G...
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