Lena Frank, 14.12.2013
Am 9. Februar hat die Schweizer Stimmbevölkerung über die Initiative „Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache“ abzustimmen. Ziel der Initiative ist, Abtreibungen aus dem Pflichtkatalog versicherter Leistungen zu kippen. Aus dem eigenen Sack soll eine Abtreibung künftig bezahlt werden. Für Peter Föhn, Co-Präsident des Initiativkomitees, ist diese bestehende Pflichtleistung eine „unnötige Leistung“.
Gemäss des Vereins „Nein zum Angriff auf die Fristenregelung“ kostet eine Abtreibung je nach Methode 600 bis 3000 Franken. Die Abtreibungskosten belaufen sich in der Schweiz auf total 8 Millionen Franken, was 0.03% der Kosten der obligatorischen Krankenversicherung ausmacht. Die Zahl dürfte aber noch tiefer liegen, da viele Frauen durch die Franchise und den Selbstbehalt die Abtreibung aus der eigenen Tasche bezahlen. Die Einsparungen wären also marginal. Nicht thematisiert werden Folgekosten in Situationen nicht möglicher elterlicher Sorge.
„Stärkung der Freiheit des Einzelnen“ wird als Argument durch das Initiativkomitee strapaziert. In diesem Kontext ist dies purer Zynismus. So soll?niemand verpflichtet werden, über Prämien die Abtreibungen anderer mitfinanzieren zu müssen. Vordergründiges Argument der Initiative ist die Senkung der Gesundheitskosten. Tatsächlich werden auf Kosten der Frauen moralische Werte aus der fundamentalen Ecke transportiert. Für die in der Schweiz wohnhaften Frauen bedeutete die Annahme der Initiative eine Ohrfeige. Sie wären es, die schlussendlich mehr als die finanziellen Folgen einer abgebrochenen Schwangerschaft alleine zu tragen hätten: Mann kann sich allenfalls kostenneutral aus der Verantwortung ziehen, eine Abtreibung zum alleinigen weiblichen Problem erklären.
„Stärkung der Freiheit des Einzelnen“ entlarvt sich als leere Hülse, wenn eine Frau ein Kind gegen ihren Willen austragen muss, weil sie das Geld für eine Abtreibung nicht aufbringen kann. Heute erfahren Frauen, die eine Abtreibung durchleiden enge Begleitung. Es gibt keine legale Abtreibung ohne psychologische Abklärung und Betreuung. Die Kantone sind gesetzlich verpflichtet, solche sozialpräventiven Angebote kostenlos zur Verfügung zu stellen (Bundesgesetz SR 857.5). Die Folgen bei Annahme der Initiative wären auch hier unabsehbar.
Das sprachliche Tabu um Sexualität und Schwangerschaft in der männlich geprägten Gesellschaft windet sich in der Literatur mit landwirtschaftlich geprägten Begriffen in die Gegenwart: „Keime“, „Samen“, „Leibesfrucht“.
Auferlegt durch Kirche und Staat, gemacht und durchgesetzt von Männern, verboten Gesetze über Jahrhunderte die Abtreibung. Bereits um 1900 kämpften mutige Frauen für die Legalisierung der Abtreibung. Die Fristenregelung ist das über mehrere Frauengenerationen hart erkämpfte Ergebnis für die Selbstbestimmung über ihren Körper.
Eine Enttabuisierung hat nur scheinbar stattgefunden. Im Gleichgewicht der Geschlechter befinden sich auch in der „solidarischen“, „modernen“ Schweiz weder Themen über Sexualität noch über Schwangerschaft. Wenn die Frau sich zuverlässig schützen will, kommt sie für die Kosten mehrheitlich selber auf. Verhütung ist immer noch Privatsache.
„Wollen wir Mittäterinnen und Mittäter sein?“ Dieser Apell der Initianten und Initiantinnen impliziert, dass wir als Prämienzahlende mitverantwortlich seien an der Tötung von Leben. Müssten sie privat finanziert werden, so die Befürwortenden in Anführung einer Studie, würden jährlich rund1000 Abtreibungen pro Jahr verhindert.
NEIN! Eine solche Initiative ist das falsche Mittel! Verantwortungsvoll durch Frauen und Männer getragene und korrekt angewandte Verhütungsmethoden sind wirksamer denn Strafe. Prävention durch Wissen, offener Dialog ohne Tabus zwischen den Paaren ist nicht erst und ausschliesslich im Schlafzimmer eine Frage. Die durch die Initiative angerissene Entsolidarisierung zeigt, wie zwingend konstruktive statt moralisierende gesellschaftliche Auseinandersetzungen geführt werden müssen.
Die Initiative „Abtreibungsfinazierung ist Privatsache“ ist ein puritanischer und pseudo-liberaler Angriff christlich-fundamentalistischer Abtreibungsgegner/innen auf den freien Zugang zum legalen Schwangerschaftsabbruch.
Die Annahme der Abtreibungsinitiative katapultierte uns in der Geschichte weit zurück. Alleine die Idee ist ein Affront gegen die Frauen. Nur die Übernahme der Abtreibung durch die obligatorische Krankenversicherung gewährleistet die Gleichstellung bei der Kostenverteilung.
Am 9. Februar unterstützt mein NEIN die Ablehnung dieser brandgefährlichen Initiative.
![]() | Lena Frank Gemeinderätin Biel |
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