Martin Neukom, 18.10.2016
Im Juni 2012 hat die Zürcher Stimmbevölkerung klar Ja gesagt zum Schutz von Kulturland. Weil sich der Kantonsrat weigerte, die Initiative umzusetzen, gibt es jetzt eine zweite Abstimmung. Es scheint, als stimmen wir so lange ab, bis den Baulöwen das Resultat passt.
Pro Sekunden verschwindet in der Schweiz ein Quadratmeter Kulturland. Im Jahr entspricht das etwa der Fläche des Zugersees. Jahr für Jahr wird Boden überbaut. Damit geht der Landwirtschaft ihre Grundlage aus: der fruchtbare Boden.
Wohnen kann man mehrstöckig. Landwirtschaft geht nur einstöckig. Darum braucht das Kulturland Schutz vor der Überbauung. Genau darum geht es in der kantonalen Abstimmung am 27. November.
Die Ignoranz der Politik
Die Bevölkerung des Kantons hat unlängst erkannt, dass Kulturland geschützt werden muss und darum der Kulturland-Initiative mit 55% zugestimmt im Juni 2012. Dies war ein klarer Auftrag an die Politik. Die Mehrheit des Kantonsrates fand dieses Anliegen 2014 jedoch unnötig und schickte es bachab. Allen voran die SVP, die sich sonst immer lauthals für den „Volkswillen“ einsetzt. Offenbar zählt für die Vertreter der SVP der „Volkswille“ nur dann, wenn es um ihre eigenen Initiativen geht.
Das ging uns Grünen zu weit: Marionna Schlatter, Präsidentin der Grünen Kanton Zürich, reichte eine Beschwerde ein beim höchsten Gericht der Schweiz, dem Bundesgericht. Und das Bundesgericht gab uns Recht. Der Kantonsrat darf ein Volksanliegen nicht einfach so ignorieren. Der Kantonsrat müsse nochmals über die Bücher. Das war eine gehörige Ohrfeige an die rechte Mehrheit im Kantonsrat.
Doch was denken Sie, liebe Leser und Leserinnen? Haben es die Baulöwen in der Politik verstanden? – Leider, nein. Das Bundesgericht hatte die Gesetzesänderung zum Kulturlandschutz durchgesetzt. Die Baulöwen zuckten mit den Schultern und ergriffen das Referendum gegen die Umsetzungsvorlage. Darum gibt es nochmals eine Abstimmung zum Kulturlandschutz. Es scheint mir so, als wollen die Baulöwen und ihre politischen Verbündeten so lange abstimmen lassen, bis ihnen das Resultat passt. Denn sie wollen vor allem eines: Geld verdienen mit Bauen. Offenbar interessiert es die Baubranche wenig, dass immer weniger Platz bleibt, um unsere Lebensmittel zu produzieren.
Länder ohne Landwirtschaft
Es gibt Länder ohne Landwirtschaft: Zum Beispiel Singapur. Die importieren alle Nahrungsmittel. Das geht schon. Ich finde das aber nicht erstrebenswert. Mir ist es wichtig, dass wir gesunde Lebensmittel aus der Region essen können. Zudem ist auch die Landschaft in der Schweiz schützenswert: Es sind die zahlreichen Landschaften, welche die Schweiz zur Schweiz machen.
Interessant dabei ist die Position der SVP: Jene Partei, die glaubt die Bauern zu vertreten und die Schweiz zu bewahren. Gerade diese Partei lehnt den Kulturlandschutz ab. Offenbar hatten bei der SVP die Baulöwen mehr Einfluss als die Bauern. Der Zürcher Bauernverband unterstützt nämlich die Umsetzung der Kulturland-Initiative und wirbt für ein Ja. Es ist sehr bemerkenswert, dass der sonst eher SVP-nahe Bauernverband unsere Initiative unterstützt. Auch die Bauern haben gemerkt, dass ihnen das Land ausgeht. Da stellt sich die Frage: Wer ist nun eigentlich die wahre Bauernpartei?
Die Gegner bezeichnen Kulturlandschutz als „radikal“. Das Argument hat weder Hand noch Fuss. Der Gesetzesentwurf kommt von der Zürcher Regierung und entspricht dem Minimum, von dem, was wir fordern. Bessere inhaltliche Argumente haben die Gegner anscheinend nicht.
Mir sind regionale Lebensmittel und intakte Landschaft wichtiger als der Profit der Baubranche. Ich stimme am 27. November deshalb auch ein zweites Mal Ja zu Kulturlandschutz.
Dieser Blogbeitrag erschien am 13. Oktober 2016 im Stadtanzeiger von Winterthur.
![]() | Martin Neukom Kantonsrat Zürich |
---|
Im September 2012 trat ich als Präsident der Jungen Grünen Schweiz nach 4 Jahren Amtszeit zurück.
Seit April 2014 sitze ich im Zürcher Kantonsrat für die Grünen und bin in der Kommission für Planung und Bau (KPB).
Ich arbeite in der Forschung an organischen Sollarzellen und studiere Phot...