Energiewende jetzt!

Resolution der Jungen Grünen Schweiz für eine nachhaltige und sozial gerechte Energiewende

 

Drei Viertel der Treibhausgasemissionen der Schweiz sind auf den Energiesektor zurückzuführen und stammen hauptsächlich aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe (Quelle: BFE 2020). Die Verbrennung der fossilen Brennstoffe ist der Haupttreiber der Klimakrise. Zudem geht mit der Abhängigkeit von fossilen Energien nur zu oft  die Abhängigkeit von autokratischen Regimen und Menschenrechtsverletzungen einher. 

Für eine lebenswerte Zukunft müssen wir den Energiesektor so schnell wie möglich dekarbonisieren und auf 100% erneuerbare Energien umstellen. Trotz zahlloser Alarmrufe aus den grünen Bewegungen hat die bürgerliche Politik die Energiewende verschlafen und damit verantwortungslos die Klimakrise verschärft und uns direkt vor eine mögliche Stromversorgungsknappheit gestellt. 

Denn bringen wir Licht ins Dunkel der schweizerischen Energiepolitik: Es ist keine Überraschung, dass die Abhängigkeit von Putin-Gas zu verheerend und die Abhängigkeit von französischen Atomkraftwerken zu unsicher ist. Es ist kein Zufall, dass es letzten Winter zu warm war und deshalb zu wenig Wasser in die Stauseen fliessen konnte. Oder dass es diesen Sommer so heiss war und wir darum viel Energie aufwenden mussten, um unsere Wohnungen zu kühlen. Im Gegenteil: Jahrelang wurde kurzfristige Profit über einen sozialen und nachhaltigen Ausbau unserer Energieversorgung gestellt. Die aktuelle Lage wurde bewusst in Kauf genommen. Auch jetzt wollen dieselben Akteur*innen die Krise nutzen, um ihre Profite aus umweltzerstörerischen Energien zu sichern.

Klimakatastrophe und Energieknappheit sind keine rosigen Zukunftsaussichten. Doch wenn wir jetzt Gaskraftwerke bauen und weiterhin auf AKWs vertrauen, werden sich die Krisen noch mehr häufen. Die Jungen Grünen Schweiz appellieren deshalb dringlichst, nicht dieselben Fehler nochmals zu wiederholen. Wachen wir endlich auf und packen wir die sozial gerechte Energiewende an! Es ist noch nicht zu spät. Stellen wir jetzt das Wohl der Allgemeinheit über Profitinteressen: Wenn wir jetzt mit sinnvollem Sparen beginnen, überstehen wir den Winter ohne Mangel. Und wenn wir so bald wie möglich auf erneuerbare Energien umstellen, überstehen wir die nächsten Jahre ohne weitere Krisen. 

Dieses Positionspapier ist in zwei Teile gegliedert: Kurzfristige Lösungsvorschläge für die mögliche Stromknappheit und die Energiepreiskrise sowie langfristige Ansätze für eine nachhaltige und sozial gerechte Energiewende.

 

Für einen winter ohne mangel …

Leider können wir die über Jahrzehnte verschlafene Energiewende nicht bis zu diesem Winter nachholen. Wenn wir solidarisch handeln, können alle den Winter gut überstehen. 

 

Übergewinnsteuer jetzt!

Während Menschen in der Ukraine sterben und flüchten und Mieter*innen auf der ganzen Welt Angst haben, ob sie ihre Heizkosten noch bezahlen können, machen Öl- und Gaskonzerne Rekordgewinne. Die Internationale Energieagentur (IEA) zeigt auf, dass dieses Jahr nur im Öl-und Gasbereich knapp 2 Billionen Dollar an Zufallgewinnen erwirtschaftet werden. Viele europäische Länder haben deshalb eine Übergewinnsteuer eingefordert. Die Notwendigkeit für eine solche Steuer ist auch im Rohstoffhandelsplatz Schweiz offensichtlich. Die Steuereinnahmen sollen dem sozialen Ausgleich  und dem Ausbau der erneuerbaren Energie zu Gute kommen. 

 

How to “keine Energie verschwenden”

Wir haben im Winter nur zu wenig Gas und Strom, wenn wir sie verschwenden. Lieber jetzt handeln, als später bereuen: Die Schweiz soll ab sofort Gas sparen, mit dem Ziel, den Verbrauch um mindestens 15% zu senken und damit mit der EU gleichzuziehen. Damit leisten wir einen solidarischen Beitrag an die Versorgungssicherheit von ganz Europa. Die nachhaltigste Kilowattstunde ist diejenige, die nie verbraucht wurde. Tagtäglich wird Energie verschwendet, die dem Wohl der Allgemeinheit wenig bringt: Private Whirlpools, Lichtwerbung ausserhalb der Öffnungszeiten oder überheizte Büroräume. Jetzt unnötigen Luxus für Wenige verbieten statt später die Grundbedürfnisse der Mehrheit beschneiden. 

 

Solidarisch durch die Krise 

Die Folgen der Energieknappheit werden zuerst zu einem Anstieg der Strom-, Öl- und Gaspreise führen. Aktuell werden diese Kosten auf die Kund*innen, insbesondere Mieter*innen, abgewälzt, was Haushalten mit bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen besonders trifft. Um einer Energiearmut entgegenzuwirken fordern wir finanzielle Unterstützung für die betroffenen Haushalte - zum Beispiel durch eine “Energiezulage” im Rahmen des bestehenden Prämienverbilligungssystems, die Vergünstigung des öffentlichen (Nah-)Verkehrs sowie die Übernahme der Preiserhöhungen durch Immobiliengesellschaften. Eine generelle Verbilligung von Treib- und Brennstoffen lehnen die Jungen Grünen ab. 

Auch kleine und mittlere Unternehmen im freien Strommarkt sollen im Interesse der Arbeitsplatzsicherung finanziell unterstützt werden. Unternehmen sollen auch die Möglichkeit haben, ihre Produktion zurückzufahren und die fehlende Auslastung mit Kurzarbeitsentschädigung (80%) zu kompensieren.

 

Sofort-Start für die Energiewende 

Wir haben keine Zeit zu verlieren! Nutzen wir die Krise für einen Sofort-Start für die Energiewende: Es braucht jetzt Sofortmassnahmen für den Ausstieg aus fossilem Gas und die massive Beschleunigung des Ausbaus von erneuerbaren Energien, insbesondere der Solarenergie. Dazu braucht es jetzt ein sofortiges Investitionsprogramm für die Installation von Wärmepumpen und Solarthermie-Anlagen. Zudem müssen geplante Fern- und Nahwärmenetze durch Sonderfinanzierungen vorgezogen werden. Weiter soll unverzüglich eine Ausbildungsoffensive zur Planung und Installation von Wärmepumpen und Solarenergie gestartet werden. 

 

Die Jungen Grünen fordern darum… 

  • …sofortige Energiesparmassnahmen für unnötige Luxuspraktiken 
  • …die Einführung einer Übergewinnsteuer
  • …eine drastische Preisreduktion im öffentlichen Verkehr und kostenloser  Nahverkehr
  • …eine solidarische Finanzierung der Massnahmen (keine Abwälzungen)
  • …dass Immobiliengesellschaften verpflichtet werden zusätzliche Heizkosten zu übernehmen
  • …die vollständige Übernahme der Preissteigerungen durch die Ergänzungsleistungen 
  • …eine Energiezulage gegen Energiearmut
  • …wenn nötig finanzielle Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen
  • …einen Sofort-Start der Energiewende durch eine Investitions- und Ausbildungsoffensive

 

… und eine Zukunft ohne Krise

Es reicht nicht, Massnahmen zu ergreifen, um auf kurzfristige Knappheit zu reagieren. Wir brauchen eine langfristige Energiewende weg von den fossilen Energieträgern hin zu einer sparsamen und erneuerbaren Energieversorgung für eine lebenswerte Zukunft für alle.

 

100% erneuerbar 

Damit die Klimaziele eingehalten werden können, muss die Schweiz schnellstmöglich ihr gesamtes Energiesystem von fossilen Energien unabhängig machen. Eine stabile und vollständig erneuerbare Energieversorgung ist technisch problemlos machbar. In Bezug auf die Energieversorgung bedeutet dies nicht nur eine unabhängige Energieversorgung durch Erneuerbare zu gewährleisten, sondern die Energieverschwendung stärker zu bekämpfen und Massnahmen zur Optimierung des Energieverbrauchs zu ergreifen. 

Jegliche erneuerbare Technologien müssen dabei berücksichtigt werden, damit auch in den energieintensiven Bereichen die Versorgungssicherheit gewährleistet werden kann. Biodiversitätsverluste, Landschaftszerstörungen und jegliche Eingriffe in die Natur müssen dabei auf ein Minimum reduziert und in der näheren Umgebung  kompensiert werden.

In diesem Zusammenhang soll auch die letzte Ölraffinerie der Schweiz in Cressier (NE) befindet,  schrittweise und unter Berücksichtigung sozialer Faktoren geschlossen werden. Das Rohöl, das sie verarbeitet, wird größtenteils aus Nigeria importiert, einem Land, das die Schrecken der westlichen Kolonialisierung erleiden musste. Heute lebt die nigerianische Bevölkerung trotz der Tatsache, dass das Land zu den größten Erdölexporteuren der Welt gehört in großer Armut. Indem sie ihr Öl importiert, trägt die Schweiz dazu bei, die Dynamik der neokolonialen Ausbeutung aufrechtzuerhalten, ohne Unterstützung für die Verbesserung der Situation vor Ort zu leisten. Die Schweiz muss aufhören, von Ausbeutung und Klimazerstörung zu profitieren.

 

Einbahnstrasse AKW

Neue AKWs sind keine Lösung, da es sich um sehr teure Projekte handelt, deren Inbetriebnahme mehr als 20 Jahre dauern würde. Ein Ausbau von Atomstrom steht aus offensichtlichen Gründen also nicht zur Debatte. Ausserdem ist der Betrieb von Atomkraftwerken eine ständige Gefahr für die Bevölkerung. Kommt es zum nuklearen Unfall, werden die Lebensgrundlagen auf Jahrhunderte hinaus zerstört. Die Entsorgung der radioaktiven Abfälle ist bis heute ungelöst. Die Kosten für Stilllegung, Rückbau und hunderttausend Jahre lang Verwahrung der Abfälle kennen wir heute nicht. Klar ist nur, dass diese Rechnung von zukünftigen Generationen bezahlt werden muss und Atomstrom unter Berücksichtigung aller Kosten die teuerste Energie aller Zeiten ist.

 

Unabhängigkeit von Autokraten

Die Wende zu einer 100% Stromproduktion aus erneuerbaren Energieträgern ist nicht nur wichtig im Hinblick auf die Klimakrise, sondern auch in Bezug auf die Unabhängigkeit von autokratischen Regimen. Die Schweiz muss sich auch über die Landesgrenzen hinaus für diese Unabhängigkeit einsetzen. Die Gespräche für ein Stromabkommen mit der Europäischen Union mit flankierenden Massnahmen für eine sichere und bezahlbare Versorgung müssen wieder aufgenommen werden, damit während der Übergangsphase die Versorgung sichergestellt werden kann mit erneuerbarer Energie. Die Energie soll zudem dort produziert werden, wo sie am effizientesten gefördert werden kann.

 

COP 27: Jetzt müssen die Versprechen eingelöst werden

Der COP 27 steht vor der Tür: Wollen wir das 1.5 Grad Ziel noch erreichen, muss der diesjährige Weltklimagipfel ein Erfolg werden. Die Zeichen stehen schlecht. Das gastgebende Regime verletzt Menschenrechte, Coca-Cola sponsert die Konferenz - und in der energiepolitischen Debatte der Schweiz erfahren wir herbe Rückschritte , in dem Atom- und Gasstrom wieder salonfähig werden. Aber die Folgen der Klimakrise nehmen keine Rücksicht auf die geopolitische Lage!
Wir verlangen von den Schweizer Delegationen unter Cassis und Sommaruga, dass sie an der 27. Weltklimakonferenz alles in ihrer Macht stehende tun, dass die Staatengemeinschaft ihre Versprechen vom Pariser Klimaabkommen einhalten! Es braucht griffige Pläne und verbindliche Kontrollmechanismen, dass diese eingehalten werden. Weiter müssen die Industrieländer endlich ihre historische Verantwortung wahrnehmen und die Versprechen der Klimafinanzierung einhalten sowie einen solidarischen Mechanismus zum Umgang mit klimabedingten Verlusten finden, denn die Klimakrise ist jetzt. Jedes Hundertstel-Grad zählt.

 

Die Jungen Grünen fordern darum… 

  • …die Reduktion des Energiebedarfs der Schweiz durch Effizienz und Suffizienz
  • …dass die Schweiz ihren Energiebedarf bis 2030 durch 100% erneuerbare Energie deckt. Dies umfasst  insbesondere …
    • …eine Solarpflicht für alle geeigneten Dächer, Fassaden und Infrastrukturanlagen
    • …die Stärkung des Windkraftsektors und der Kapazitäten zur Speicherung der Windenergie
  • …ein absolutes Verbot der Erdgasproduktion in der Schweiz
  • … dass die Raffinerie in Cressier (68.000 Barrel pro Tag) mithilfe von Energiesparmassnahmen und alternativen Energieträgern geplant und schrittweise geschlossen wird.
  • … eine Verkehrswende bis 2030 (massiver  Ausbau ÖV, Verbot von Diesel- und Benzinmotoren) 
  • … ein Verbot und eine  Ersatzpflicht von fossilen Heizsystemen mit sozialer Abfederung
  • …eine progressive Preisgestaltung des Energieverbrauchs
  • …dass sich die Delegationen von Cassis und Sommaruga am COP 27 konsequent für das 1.5 Grad Ziel engagieren

 

Verabschiedet an der Mitgliederversammlung vom 5. November 2022 in Neuchâtel (NE).