«Wir bleiben unserm Motto treu, feministisch schön und arbeitsscheu»
Sommertipp der OFRA, Sitzungsprotokoll vom 18. Juni 1986
(Ab)Schaffung des Gleichstellungsbüros
Konradin Franzini, Vorstand Junge Alternative Zug, Rotkreuz
Wie kamen die Forderungen nach einem Zuger Gleichstellungsbüro auf? Wie wurde es eingeführt? Und welche Rolle spielte dabei die Zuger «Organisation für die Sache der Frau» (OFRA)? Diesen Fragen ging ich in einer Seminararbeit im Rahmen meines Geschichtsstudiums nach. Gerne teile ich hier eine kurze Zusammenfassung meiner Ergebnisse.
Die Geschichte begann 1982, als die damalige SP-Kantonsrätin Heidi Jans-Dejung mit einer Motion die Schaffung einer Rechtsberatungsstelle sowie eine kantonale Frauenkommission forderte. Zwei Jahre später folgte die negative Antwort des Regierungsrates, was aber nur der erste Akt der heute fast 40-jährigen Geschichte um das Zuger Gleichstellungsbüro war.
Die nationalen Wurzeln der Forderung
Jans-Dejungs Forderung hatte einen nationalen Hintergrund. Ausgehend vom «4. Kongress für Fraueninteressen » 1975 entstand die erste Schweizer Fraueninitiative auf nationaler Ebene: die «Initiative für gleiche Rechte von Frau und Mann», welche stark von den neuen autonomen Frauenbewegungen wie der OFRA getragen wurde. Zwei Jahre nach der Einreichung wurde die Initiative wegen starken bürgerlichen Drucks zugunsten eines Gegenvorschlags zurückgezogen. Im Gegensatz zur Initiative fehlten ein konkreter Zeithorizont und die spezielle Erwähnung der Chancengleichheit in Ausbildung und Beruf.
Zehn Jahre nach Annahme des Frauenstimmrechts wurde der Gegenvorschlag am 14. Juni 1981 von Volk und Kantonen angenommen, womit die Gleichstellung fortan in der Bundesverfassung verankert war. Dies hatte Signalwirkung, denn als direkte Folge entstanden in verschiedenen Kantonen Gleichstellungsbüros, welche die tatsächliche Gleichstellung vorantreiben sollten. Doch das langsame Tempo auf Bundesebene und das fehlende Gleichstellungsgesetz führten massgeblich zum ersten nationalen Frauenstreik am 14. Juni 1991. Dies brachte die Diskussion endlich wieder in Bewegung.
Mitte 1996 trat das nationale Gleichstellungsgesetz in Kraft, und mit der neuen Verfassung von 2000 wurde der Verfassungsartikel präzisiert und umfasste nun die «rechtliche und tatsächliche Gleichstellung». Im Zuge einer Teilrevision der Kantonsverfassung wurde im Kanton Zug Anfang 1990 analog zur nationalen Verfassung die Gleichstellung von Frau und Mann festgehalten. Doch bis heute fehlt ein kantonales Gleichstellungsgesetz zur Umsetzung. Eine Motion von ALG, SP und CVP zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zur Förderung der Gleichberechtigung wurde im Dezember 2010 mit 39 zu 28 Stimmen vom Kantonsrat abgelehnt. 2015 arbeitete die Direktion des Innern – damals unter der heutigen Nationalrätin Manuela WeicheltPicard – ein kantonales Gleichstellungsgesetz aus. Die von der Regie rung zur Annahme beantragte Gesetzesvorlage wurde im September 2016 mit 45 zu 27 Stimmen vom Kantonsrat ebenfalls abgelehnt.
Entstehungsgeschichte
Bei den kantonalen Wahlen 1986 in Zug kandidierten sechs Frauen, die mehrheitlich in der OFRA engagiert waren, auf der Wahlliste der SozialistischGrünen Alternative (SGA) für den Regierungsrat. Die Forderung nach einem Zuger Gleichstellungsbüro war ein wichtiges Thema während des Wahlkampfes und wurde nach den Wahlen von der OFRAAktivistin und SGAKantonsrätin Madeleine Landolt weiterverfolgt. Als Vorbild galt das seit seiner Kantonsgründung (1978) existierende «Bureau für Frauenfragen (BCF)» im Kanton Jura. Die OFRA beschloss nach den Wahlen die Bildung einer Arbeitsgruppe, welche einen Vorstoss ausarbeiten sollte. Teil der OFRAArbeitsgruppe waren unter anderem SGAKantonsrätin Madeleine Landolt (19871992) sowie die späteren SGAKantonsrätinnen Sybilla Schmid (19911998) und Arlene Wyttenbach (19911996).
Bereits im September 1987 reichten alle acht damaligen Zuger Kantonsrätinnen eine Interpellation mit Fragen an den Regierungsrat ein. Der Zusammenschluss aller Kantonsrätinnen stellte ein Novum im Kanton Zug dar. Die Idee der Interpellantinnen war, mittels einer vorbereitenden Kommission die Bedürfnisse, das Konzept und die Kompetenzen eines Gleichstellungsbüros und einer Fachkommission zu klären. Der Regierungsrat war mittlerweile gewillt, sich der Thematik anzunehmen und setzte eine AdhocKommission ein, in der Landolt und Wyttenbach Einsitz nahmen. Nebst den Parteien waren auch die Berufsberatungsstelle, die Gewerkschaft Industrie (heute UNIA) und die Frauenzentrale vertreten. Die OFRA hatte offiziell keinen Sitz in der Kommission, worauf sie in einem Brief an den Regierungsrat einen Sitz für sich und einen für alleinerziehende Frauen forderten. Die Regierung lehnte mit der Begründung ab, dass mit Wyttenbach bereits eine OFRA Frau vertreten sei.
Nach zehn Jahren ist es soweit
Nach zweijähriger Arbeit empfahl die Kommission im März 1990 in ihrem Bericht zur Gleichstellungssituation im Kanton Zug die Schaffung eines Gleichstellungsbüros. Anhand dieses Berichtes erstellte der Regierungsrat eine Vorlage zuhanden des Kantonsrates. Das Büro sollte versuchsweise für vier Jahre eingerichtet, mit je einer juristischen und einer sozialwissenschaftlichen Fachperson im Teilzeitpensum besetzt und der Direktion des Innern unterstellt werden. Ebenfalls sollte dem Büro eine fünfköpfige Fachkommission zur Seite gestellt werden. In der Detailberatung des Kantonsrates im August 1991 befürwortete ein Grossteil der Parlamentarier:innen ein Gleichstellungsbüro. Gemäss der Berichterstattung in den «Zuger Nachrichten» hielten auch Vertreter:innen aus CVP und FDP zustimmende Voten. So befürwortete die Kommissionspräsidentin Monika Hutter die Vorlage mit der Begründung, dass zehn Jahre nach Verabschiedung des Gleichberechtigungsartikels in der Bundesverfassung die Frau noch immer schlechter gestellt sei als der Mann – «und dies darf uns doch nicht gleichgültig sein». Und auch der StawikoVertreter Leo Haas (FDP) war der Meinung, dass die geplanten 175000 Franken Budget nicht ausreichten. Einzig der Antrag eines FDPParlamentariers wurde angenommen, worauf im Beschlusstext der Satz «Der [Fach]Kommission gehören überwiegend Frauen an» gestrichen wurde. Als schweizweit zehntes Gleichstellungsbüro auf Kantonsebene nahm das zugerische seine Arbeit am 4. Februar 1992 auf – zehn Jahre nach dem ersten Vorstoss auf Kantonsebene. Im Februar 1992 trat als Leiterin des Gleichstellungsbüro die damalige OFRAAktivistin Dana Zumr ihre Stelle an. Im April folgte die Juristin Judith Wissmann, die aber bereits nach sieben Monaten kündigte; die Juristin Felicitas Furrer übernahm deren Stelle. Eineinhalb Jahre später kündigte auch Furrer, wobei unter anderem verwaltungsinterne Blockaden gegen das Büro als Kündigungsgrund genannt wurden.
Das Gleichstellungsbüro erarbeitete in den ersten Monaten ein eigenes Reglement, initiierte eine Wanderausstellung zum Thema «sexuelle Ausbeutung von Mädchen», wirkte bei parlamentarischen Vorstössen mit und erstellte eine Studie zum Frauenanteil in kantonalen Kommissionen. Zwischen 1992 und 1994 nahm das Büro an über zwanzig Mitwirkungsverfahren zu Gesetzesvorlagen teil, lancierte zehn eigene Projekte wie Ausstellungen, Tagungen oder wissenschaftliche Untersuchungen und baute eine umfassende Dokumentation zur Gleichstellung im Kanton Zug auf. Das Gleichstellungsbüro besass von Anfang an ein Bewusstsein für eine möglichst breite Sichtbarkeit und aktive Öffentlichkeitsarbeit, um den Nutzen des Büros der Bevölkerung und der Politik aufzuzeigen und damit ein längerfristiges Bestehen zu sichern.
Die Abschaffungsgeschichte
Im Mai 1995 meldeten die «Zuger Nachrichten», dass der Regierungsrat dem Kantonsrat eine auf weitere vier Jahre befristete Weiterführung des Gleichstellungsbüro vorschlagen werde. Der Zuger Regierungsrat begründete die befristete Weiterführung mit dem Argument, die Förderung der Gleichstellung sei keine Daueraufgabe, sondern nur eine längerfristige. Zumr hoffte anfangs noch auf eine Erhöhung der Stellenprozente wie auch auf die unbefristete Weiterführung des Gleichstellungsbüros. Die Befürchtung war, dass aufgrund der weiteren Befristung des Büros ihre Hauptaufgabe weiterhin die Existenzrechtfertigung sein werde. Im selben Artikel lobte der Regierungsrat einerseits das Gleichstellungsbüro, es habe verstanden, «seinen Einfluss geltend zu machen», kritisierte andererseits die Arbeitsweise. Ebenfalls standen Befürchtungen eines möglichen Referendums von bürgerlicher Seite im Raum.
Anfang Juni 1995 empfahl die vorberatende Kantonsratskommission dem Kantonsrat mit neun zu sechs Stimmen, den Betrieb des Gleichstellungsbüros per Ende Jahr einzustellen. Der Frauenanteil im Kantonsrat war auf ungefähr 25 Prozent gestiegen, die «Frauenallianz» von 1987 bestand aber nicht mehr. Als Grund für die ablehnende Haltung der Kommission vermutete die Präsidentin der beratenden Gleichstellungskommission, Claudia Fugazza, die Angst vor der aufsteigenden SVP und der dadurch ausgelösten Rechtsorientierung der anderen bürgerlichen Parteien. Ein offizielles Argument der Kantonsratskommission waren die Kosten. Auch der Historiker Jakob Tanner beschrieb in seinem Buch «Geschichte der Schweiz im 20. Jahrhundert», dass die Dynamik zur Schaffung von Gleichstellungsbüros in den 1990er Jahren durch staatliche Sparbremsen gehemmt wurde. Weiter führt er aus: «Das zurückhaltende Finanzgebaren der öffentlichen Hand, welches Teil der männerdominierten republikanischen Kultur des Bundesstaates war, verlangsamte den Umbau der schweizerischen Gesellschaft im Zeichen der Gleichberechtigung.» In einem Zeitungsartikel zum Kommissionsbericht wurde ein weiterer Grund für den Schliessungsentscheid genannt. Der damalige Journalist Thomas Gretener schrieb zur Kommissionsbegründung: «Was in der Privatwirtschaft Voraussetzung für erfolgreiches Wirken ist, gereicht dem Gleichstellungsbüro zum Tadel: ‘Einzelne Personen sind eifrig ans Werk gegangen und etwas unnachgiebig bzw. hartnäckig gewesen’». Die bürgerlichen Kantonsräte störten sich an der staatlichen Förderung von Gleichstellung und versuchten diese – mit Erfolg – auszubremsen. So zeigte es sich doch deutlich, dass es den bürgerlichen Herren gar nicht passte, dass an den herrschenden Machtstrukturen gerüttelt wurde.
Grosses Interesse an Debatte
An der Kantonsratssitzung vom 31. August 1995 fiel schliesslich der Entscheid zur NichtWeiterführung des Gleichstellungsbüros. Aufgrund des hohen öffentlichen Interesses mit über hundert Zuschauer:innen wurde die Kantonsratssitzung in einem grösseren Saal durchgeführt. In der Debatte behauptete die bürgerliche Mehrheit, dass das Büro zu wenig Akzeptanz in der Bevölkerung und Politik habe. Die Ratslinke strich hingegen die Wichtigkeit des Büros in der Umsetzung des Verfassungsauftrages hervor, zeigte die Erfolge des Büros auf und mahnte vor dem Verlust des angesammelten Fachwissens. Interessant ist, dass sich mit Joachim Eder und Matthias Michel zwei FDPKantonsräte entgegen der Fraktionsmehrheit für das Gleichstellungsbüro aussprachen. Beide wurden bekanntlich später Zuger Regierungsräte und Ständeräte. In der Schlussabstimmung waren die Verhältnisse dann sehr deutlich. Mit 46 zu 27 Stimmen trat der Zuger Kantonsrat nicht auf die Vorlage des Regierungsrates ein, das Gleichstellungsbüro um weitere vier Jahre weiterzuführen. Dass dieser Entscheid der bürgerlichen Parteien rein ideologischer Natur gewesen war, zeigt sich daran, dass weder die Unterschriften von über 800 Zuger:innen, noch ein offener Brief der Konferenz der Schweizerischen Gleichstellungsbeauftragten etwas nützten. Alle Parteien ausser der SVP anerkannten aber in der Debatte den Verfassungsauftrag der Gleichstellung, was sich aber nur ein paar wenige Jahre noch halten konnte.
Da der Kantonsrat nicht auf die Vorlage des Regierungsrates eingetreten war, konnte auch kein Referendum ergriffen werden. Offen bleibt aber, weshalb die Befürworter:innen des Gleichstellungsbüros keine Initiative lancierten. Die erwähnten 800 Unterstützer:innen hätten dabei eine gute Grundlage gebildet, um 2000 Unterschriften zu sammeln, die in Zug für eine Initiative erforderlich sind. Über die strategischen Überlegungen der Befürworter:innen liess sich in den von mir eingesehenen Protokollen und Presseartikeln nichts finden. Im Nachgang zur Kantonsratsdebatte wurde eine Arbeitsgruppe initiiert, deren Ziel war, mit Mitgliedern aller Parteien und Fraktionen parlamentarische Vorstösse und Aktionen zu planen. Zu vermuten ist, dass es sich um dieselbe Gruppe handelte, welche bereits im Kampf gegen die Abschaffung des Gleichstellungsbüros Unterschriften sammelte. Gleichzeitig organisierte die Unterstützungsgruppe zusammen mit der OFRA ein öffentliches Trauerritual, «um symbolisch das Gleichstellungsbüro zu beerdigen». Die OFRA und das Unterstützungskomitee blieben weiterhin aktiv. Drei Jahre nach der Abschaffung des Gleichstellungsbüros führte der Zuger Kantonsrat eine auf vier Jahre befristete kantonale Gleichstellungskommission ein, welche zweimal verlängert und schlussendlich im Oktober 2010 abgeschafft wurde. Dies hatte zwei Beschwerden beim Bundesgericht wie die oben erwähnten weiteren politischen Vorstösse zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage oder einer neuen Fachstelle zur Folge. Der vorerst letzte Vorstoss der ALG im Kantonsrat wurde im Sommer 2020 von bürgerlicher Seite mit 55 zu 20 Stimmen abgelehnt.
Fazit: OFRA war die treibende Kraft
Abschliessend lässt sich festhalten, dass die nationale Volksinitiative «Gleiche Rechte für Frau und Mann» 1976 den Grundstein für die Einführung von Gleichstellungsbüros in der ganzen Schweiz legte. Das Zuger Beispiel zeigt aber auch, dass schlussendlich der politische Wille gefragt ist, wenn es um die staatlich geförderte Gleichstellung von Frau und Mann geht. Die Seminararbeit machte ebenfalls deutlich, dass die Zuger OFRA treibende Kraft im Kampf um die Einführung des Zuger Gleichstellungsbüros war. Die Forderung entstand zwar ursprünglich im Umfeld der SP, wurde dann aber von der SGA (Vorläuferin der ALG) im Wahlkampf aufgegriffen. Auch lässt sich aufgrund von personellen Überschneidungen zwischen der SGA und der OFRA das Engagement nicht trennscharf zuordnen. Die schlussendlich entscheidende Interpellation zur Einführung des Gleichstellungsbüros sowie die inhaltliche Vorbereitung entstand eindeutig in der Zuger OFRA. Auch der Fakt, dass die Leiterin des Gleichstellungsbüros OFRAAktivistin war, zeigt die Wichtigkeit der OFRA. Schlussendlich bleibt zu hoffen, dass bald neue, progressivere Mehrheiten im Kanton Zug möglich sind, um dem Anliegen zur erneuten Schaffung eines Zuger Gleichstellungsbüros näher zu kommen. Denn wie die Journalistin Sonja Stauffer im Zuger Neujahrsblatt 1999 treffend schrieb: «Man darf auf der Posse nächsten Akt gespannt sein – die Geschichte des [Zuger] Gleichstellungsbüros ist eine endliche, jene der Chancengleichheit nicht.»
Zum Autor:
Ich studiere seit zwei Jahren an der Universität Zürich Geschichte der Neuzeit im Nebenfach. Kürzlich belegte ich ein Seminar mit dem Titel «Frauenbewegungen und Stimmrecht Ein langer Marsch im kurzen 20. Jahrhundert». Mir war es darauf ein Anliegen, mit meiner Seminararbeit einen ersten kleinen Versuch zu wagen, die Geschichte der Zuger Frauenbewegungen zu beleuchten. An dieser Stelle möchte ich mich bei all jenen bedanken, die mich bei meiner Recherchearbeit unterstützt haben.