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Durch die Hintertür

 

Ein Unternehmen aus Zug hat im Auftrag der CIA und des BNDs manipulierte, angeblich sichere Verschlüsslung an andere Staaten verkauft. Der Erfolg der Unternehmung, der Crypto AG, lag auch an dem neutralen Ruf der Schweiz.

Die Zusammenarbeit zwischen CIA, BND und der Crypto AG überdauert die Jahrzehnte. Es ist ein Coup der Spionage. Im Falklandkrieg lesen die Geheimdienste die Kommunikation Argentiniens mit und können dem verbündeten Grossbritannien Informationen zuspielen. Grossbritannien gewinnt den Krieg. Die Falklandinseln bleiben unter kolonialer Herrschaft. Auch in innerstaatlichen Konflikten spielt die falsche Sicherheit der Crypto AG Geräte ihre Rolle. Sie verschafft den USA entscheidende Vorteile bei der Unterstützung des Militärputsches in Chile 1973. Produkte eines Schweizer Unternehmens helfen, die demokratisch gewählte Regierung durch eine Militärdiktatur abzulösen.

1992 kommt Verdacht auf und ein Verkäufer der Crypto AG, Hans Bühler, wird im Iran festgehalten. Mit dem Geld des deutschen Geheimdienstes löst ihn die Firma aus. Bühler wusste nichts von den manipulierten Geräten und stand nach seiner Rückkehr, über 200 Tage später, vor den Scherben seines Lebens. Die Crypto AG entliess ihn und verpflichtete ihn gerichtlich zum Schweigen. Im Verlauf davon und der Wiedervereinigung stieg der deutsche Bundesnachrichtendienst aus der Operation aus. Sie lief unter der CIA weiter, bis sie schliesslich 2018 aufgelöst wurde. Die Firma wurde in zwei Unternehmen aufgeteilt. Zum einen Crypto AG International, welche das Kundennetzwerk, den Standort und das Branding weiterführt. Zum anderen CyOne Security, welche den Schweizer Markt und das Personal übernahm. Beide der Nachfolgeunternehmen haben weiterhin den Geschäftssitz in Steinhausen.
Wieder einmal steht die Schweiz unrühmlich im Scheinwerferlicht und wieder einmal ist der Kanton Zug der Schauplatz des Dramas.
Der Ablauf der Affäre liest sich wie ein Thriller – von ausländischen Geheimdiensten und verschwundenen Akten zu verstrickten Politikern und Staatsgeheimnissen. So sind kürzlich erst relevante Akten wiederaufgetaucht. Ausserdem stehen mehrere hochrangige Politiker im Verdacht, mindestens informiert gewesen zu sein.

Wie war das mit der Neutralität?
Ob Regierungsmitglieder Bescheid wussten, ist völkerrechtlich relevant. Das liegt daran, dass die Schweizer Aussenpolitik grundsätzlich auf Neutralität basiert. Das Handeln eines privaten Unternehmens, selbst wenn es in der Schweiz ansässig ist, betrifft die Neutralität des Schweizer Staats rechtlich nicht. Problematisch wird es dann, wenn der Schweizer Staat über die Crypto AG Bescheid wusste und zum Teil davon profitierte. Völkerrechtliche Neutralität bedeutet unter anderem, Kriegsparteien, insbesondere in Bezug auf Rüstungsgüter, gleich zu behandeln. Ob Verschlüsselungsgeräte als Rüstungsgüter zählen, darüber kann man streiten. Allerdings: einer Kriegspartei sichere Kommunikation und der anderen verdeckte Abhörgeräte zu verkaufen, beeinflusst die Chancen doch erheblich und ist mindestens im Geiste der völkerrechtlichen Neutralitätsbedingung hoch problematisch. Das ist kein Gedankenexperiment, es handelt sich um ganz reale Kriegsparteien, wie bereits beschrieben Grossbritannien und Argentinien im Falklandkrieg.

Deswegen ist es von enormer Bedeutung aufzuklären, inwiefern Regierungsmitglieder von dem Vorgehen wussten und involviert waren.

Aufklärung durch PUK oder GPDel?
Aktuell arbeitet auf nationaler Ebene die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) an der Aufklärung. Auch eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) wird gefordert. Beide haben, seit 2011, die gleichen Kompetenzen. Während die GPDel den Vorteil hat, bereits im Amt und grundsätzlich eingearbeitet zu sein, hätte eine PUK deutlich mehr Personal und andere Ressourcen. Allerdings müsste sie erst aufgebaut werden. Ob die GPDel ausreichende Aufklärungsarbeit machen kann, wird sich zeigen. Je nachdem wie weit die Affäre ausufert, kann es durchaus notwendig werden, eine PUK einzusetzen. Im Verdacht stehen mittlerweile einige, von (Alt-)Bundesräten zu Zuger Politikern, welche im Verwaltungsrat der Crypto AG sassen. Um alle Verdachtsmomente zu klären, müssen die angemessenen Mittel gewählt werden. Hauptsache, die Crypto-Affäre wird gründlich aufgeklärt!

Die Konsequenzen der Crypto AG

Für die Schweiz bedeutet die Affäre um die Crypto AG ein Rütteln am neutralen Selbstverständnis. International wird sie an Vertrauen einbüssen, was die Arbeit der Botschaften und ihrer guten Dienste erschweren wird.

Für Zug heisst es, dass unser Kanton nach den Panama Papers, Paradise Papers, Luanda-Leaks und neben gewissen ansässigen Grosskonzernen, wieder mal der Standort von dubiosem internationalem Handeln ist. Die hiesige Tiefsteuerpolitik, sowie die lockere Gesetzgebung bezüglich Briefkastenfirmen mag mehr Geld in die Staatskasse gespült haben. Nur bringen die angelockten Unternehmen nicht nur ihr Geld, sondern auch ihre Skandale mit. War es das wert, den Ruf des Kantons zu verkaufen?

Mara Labud, Junge Alternative Zug

  

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