Mara Labud und Delia Meier
Heute wäre es erlaubt, sich mit einem Megafon in die Mitte der Bahnhofshalle zu stellen und zu rufen: «Alle Lesben sind krank und müssen geheilt werden!». Wenn die Diskriminierung aufgrund der Rasse, Ethnie oder Religion passieren würde, wäre eine solche Handlung schon seit Jahren verboten und strafgesetzlich verfolgbar. Dies wollte das Parlament ändern und beschloss 2018 den Diskriminierungsschutz in der Schweiz um ein viertes Kriterium zu erweitern.
«Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft, […] wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.» (Art. 261 STGB) So lautet der entsprechende Artikel. Das einzige, was sich mit dem neuen Gesetz ändern würde, wäre ein Zusatz von zwei Worten: sexuellen Orientierung.
Diese minimale Änderung ging der JSVP und EDU zu weit und gemeinsam ergriffen sie das Referendum. Deswegen stimmen wir am 9. Februar 2020 über den Diskriminierungsschutz ab. Das Hauptargument des Referendumskomitee: Die Meinungsfreiheit würde zu stark eingeschränkt. Bei einer Änderung des Artikels um genau zwei Worte.
Das Argument der Meinungsfreiheit anzuführen, ist in diesem Fall ein Scheinargument. Wie stark in diese eingegriffen wird, bleibt nämlich gleich, da bei einer Annahme des Referendums einzig der Zusatz des Kriteriums der sexuellen Orientierung gestrichen würde, Diskriminierung aufgrund von Rasse, Ethnie oder Religion aber immer noch verboten bleiben würde. Ausserdem haben wir die Diskussion über die Frage, ob die Eingriffsintensität angemessen sei, bereits 1994 geführt, als auch gegen das ursprüngliche Gesetz das Referendum ergriffen wurde. Diese Abstimmung wurde jedoch zu Gunsten der neuen Regelung entschieden.
Diese Einschätzung wurde 2007 nochmals bestätigt, als eine Volksinitiative zur Abschaffung des Diskriminierungsgesetzes daran scheiterte, dass nicht einmal genügend Unterschriften innerhalb der Frist gefunden werden konnten. In anderen Worten: Das Gesetz ist hier, die Meinungsfreiheitdebatte wurde geführt. Würde diese neu aufgewickelt werden wollen, müsste beispielsweise ein neuer Initiativersuch gestartet werden. Denn, wie erwähnt, geht es bei der Abstimmung im Februar nur darum, ob die Kriterien «Rasse, Ethnie, Religion» um «sexuelle Orientierung» ergänzt werden sollen.
Deswegen trifft auch die Namensgebung des Referendumskomitee nicht zu: JSVP und EDU sprechen vom «Zensur-Gesetz». Ziel dieser Namenswahl ist es, sich falsche Legitimität zu verschaffen und zu verschleiern, um was es wirklich geht: Es geht nicht um Zensur, sondern um Homophobie. So empfehlen wir auch, statt vom Zensurgesetz, vom Homophobie-Referendum oder Ähnlichem zu sprechen.
Würde der Gesetzeszusatz abgelehnt werden, wäre dies ein grosser Rückschritt für LGBTQIA+[1] Rechte in der Schweiz. Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung ist immer noch ein grosses Problem und die beschlossene Gesetzesänderung des Parlaments bildet eine Grundlage um strafgesetzlich gegen Homophobie vorzugehen. Natürlich würde das neue Gesetz nicht alle Probleme aus der Welt schaffen und noch erfreulicher wäre der Miteinbezug von noch mehr Kriterien nebst der sexuellen Orientierung gewesen. So brauchen – um nur zwei Beispiel zu nennen – insbesondere auch Transmenschen und Menschen mit Behinderungen mehr Schutz.
Doch der Zusatz eines vierten Kriteriums – der sexuellen Orientierung – bildet die Basis für mehr Schutz in Zukunft. Würde schon diese Gesetzesänderung abgelehnt, würden auch weitere notwendige Anpassungen in Zukunft erschwert werden. Deswegen braucht es am 9. Februar 2020 unbedingt ein JA zum Schutz an der Urne, damit wir mit einer gesetzlichen Grundlage gegen Homophobie in das neue Jahrzehnt starten können.